Tag 129: Invercargill – Bluff

Cape Reinga, 20. Oktober 2019

Bluff, 26. Feber 2020

Ich habe es geschafft! Nach 129 Tagen ein Mal quer von Nord nach Süd durch Neuseeland bin ich heute am späten Nachmittag an meinem endgültigen Ziel angekommen – und werde das wahrscheinlich noch länger nicht wirklich realisieren! In den vergangenen Monaten durfte ich so viele Erfahrungen sammeln, neue Eindrücke aufsaugen, wunderbare Menschen kennenlernen, ein einzigartiges Land auf die wohl eindrücklichste Art und Weise erkundschaften und erleben, dass ich jeden Tag selbstsicherer und kompetenter wurde in allen Belangen, die so einen Thru-Hike betreffen. Der Trail führte mich Strände und Straßen entlang, durch verschlammte Wälder und dicht sowie licht besiedeltes Wohngebiet, über von mir so gefürchtetes Weidegebiet und steile, schroffe Bergflanken, sowie sanfte, samtig-grüne Hügel, etliche Male genossen Schuhe, Socken und Füße unfreiwillige Bäder, genauso oft spazierte ich auf Schotter oder durch nasses (Tussock)Gras, rutschte aus oder stolperte, schlich mehr als dass ich ging, erreichte mein Tagesziel aber immer erhobenen Hauptes (und oft brennenden Fußes 😊). Ich bin stolz darauf, diese 3005 Kilometer ohne Verletzung, ohne mich schwerwiegend zu verlaufen, mich selbst zu überschätzen oder irgendwann ohne genügend Verpflegung oder Wasser in der Pampa wiederzufinden, absolviert zu haben! In so vielen Bereichen, die ich selbst nicht beeinflussen konnte, war ich gesegnet – gutes Wetter die meiste Zeit, kein Ausharren in einer Hütte oder Auslassen eines Tracks wegen Überschwemmung oder anderer Wetterauswüchse. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar.

Ich war heute bereits um fünf mit einem beunruhigenden Rumoren im Magen aufgewacht und nicht mehr richtig eingeschlafen. Kurz vor sieben brach ich noch bei Dunkelheit auf und nahm die letzten 34 Kilometer des Te Araroa Trails in Angriff. Es fühlte sich so eigenartig an. Einerseits war ich voller Vorfreude auf den heutigen Abschluss dieses gewaltigen Projektes, andererseits war ich doch erst am Cape gestartet, wie konnte ich denn so plötzlich schon am Ziel sein?!

Während ich losmarschierte telefonierte ich noch mit Stefan, dann war ich auf dem Estuary Walkway stadtauswärts vorerst wirklich alleine. Einige frühmorgendliche Radfahrer kamen mir entgegen und beglückwünschten mich zum baldigen Erfolg. Mein Magen rebellierte immer noch.

Nach ca 12 Kilometern verließ ich den Walkway, um weitere 16 Kilometer auf dem State Highway 1 zurückzulegen. Auch hier wurde ich von RadfahrerInnen, Motorrad- und Auto-, sowie LKW-FahrerInnen angefeuert, angehupt und beglückwünscht. Mit so viel Aufmerksamkeit hatte ich nicht gerechnet! Ich kann gar nicht wirklich beschreiben, wie ich mich fühlte oder was genau mir durch den Kopf ging. Ab und zu überkam mich ein Anflug von Gänsehaut, dann stiegen mir wieder Tränen in die Augen. Ein Sammelsurium an Emotionen gab sich in mir die Hand. Den Highway Abschnitt wollte ich schnell hinter mich bringen, deshalb gab ich ordentlich Gas und legte erst beim Überschreiten der Ortsgrenze nach Bluff eine Pause ein.

Von hier verlief der Trail eigentlich dem Foveaux Walkway der westlichen Küstenlinie entlang, aber ein Teil davon war wegen aggressiver Stiere gesperrt, deshalb musste ich einen Umweg Richtung Ortszentrum machen und von dort über den 250 Meter hohen Bluff Hill und auf der anderen Seite den Millenium Track hinunter an die Küste nehmen. Auf der Aussichtsplattform am Bluff Hill stand ich plötzlich vor Fréd und war total perplex. Wo kam die denn plötzlich her? Naja, eigentlich hätte es mich nicht wundern dürfen, dass sie die 16 Kilometer Highway nicht gegangen, sondern gefahren war, obwohl sie in den letzten Tagen immer wieder betont hatte, wie wichtig es ihr sei, die letzten Kilometer zu wandern. An meinem irritierten Gesichtsausdruck muss sie wohl gemerkt haben, dass ich nicht mit ihrer Anwesenheit gerechnet hatte, denn immerhin machte sie sich gleich alleine auf den Weg zum nur mehr ca fünf Kilometer entfernten Stirling Point. Ich blieb am Bluff Hill zurück, wissend, dass ich nun trotz meiner Ankündigung, alleine am Endpunkt des TA ankommen zu wollen, eben nicht alleine dort einlaufen würde. Das ärgerte mich. Und gleichzeitig ärgerte es mich, dass es mich ärgerte. Das war doch kindisch. Ich konnte schließlich nicht von ihr verlangen, sich irgendwo zu verstecken oder sofort abzuhauen, wenn sie am Stirling Point angekommen wäre. Es war mir aber gestern echt nicht leicht gefallen, meinen Wunsch des Alleinseins überhaupt zu äußern, und deshalb verstand ich einfach nicht, wie sie jetzt auf einmal einfach so da sein konnte und mir noch zurief, sie würde dann mit einer Flasche Prosecco auf mich warten?!? Genau das wollte ich doch nicht. Hatte ich mich nicht klar genug ausgedrückt? Immer noch wie vor den Kopf gestoßen machte ich am Aussichtspunkt erst einmal eine ausgedehnte Pause, um mich mit der neuen Ankunftssituation anzufreunden. Ich hatte gedacht, vom Bluff Hill bereits auf den Stirling Point hinunter zu sehen, dem war aber nicht so. Auch gut, somit blieb die Spannung noch etwas länger aufrecht erhalten! Ich ließ mir für diese letzten fünf Kilometer dann wirklich Zeit. Es war schön, die letzten Kilometer auf einem bush track und nicht Asphalt zurücklegen zu können.

Je näher das Ziel rückte, desto aufgeregter wurde ich. Dieses eine Mal kamen mir die letzten beiden Kilometer nicht lange genug vor! Und dann, ganz unspektakulär sah ich zum ersten Mal den Endpunkt des Te Araroa Trails, meiner 3005 Kilometer langen Reise.

Ich riss mich zusammen und marschierte mit einem Lächeln auf Fréd zu, die bereits emsig die Flasche entkorkte, und sich dabei gleichzeitig ordentlich über diesen doch so gefährlichen Highway Abschnitt beschwerte. Dann stießen wir an, Fréd plapperte weiter und ich hätte mich liebsten einfach nur weggebeamt. Natürlich waren andere Touristen auch dort, aber die störten mich nicht, ließen sie mich doch in Ruhe. Am meisten stieß mich ab, dass Fréd immer wieder betonte, sobald jemand in Hörweite war, wie unfassbar es doch war, dass wir wirklich das ganze Land durchquert hätten, 3000 Kilometer weit! Ich konnte die ganze Zeit nur denken, „Ja, ich bin wirklich 3000 Kilometer GEGANGEN, du nicht, also verkauf deine Leistung bitte nicht als solche.“ Für mich hatte dieses Ankommen einen ganz anderen Stellenwert als für sie, und leider gab sie mir weder Zeit noch Raum, MEIN Ankommen auszukosten. Ich will hier jetzt nicht kleinlich oder arrogant herüberkommen, aber genau so hatte ich mir den Abschluss des Trails nicht gewünscht. Entweder mit mir ans Herz gewachsenen Mit-HikerInnen, oder eben, wie sich in den letzten Wochen herauskristallisiert hatte, ganz alleine.

Jetzt, da ich diese Zeilen tippe, sind bereits zwei Tage seit meiner Ankunft in Bluff vergangen und ich habe immer noch nicht realisiert, dass der Trail zu Ende ist. Erstens, wahrscheinlich, weil sich das Rumoren im Magen zu einem Gott sei Dank nur leichten Magen-Darm-Virus entwickelt hat, der mich die letzten beiden Tage aber doch niedergestreckt hat (ich hab gestern mehr oder weniger den ganzen Tag geschlafen) und zweitens, weil ich dadurch keine Zeit hatte zum Realisieren und Ankommen oder mir einen Plan für die mir hier noch verbleibenden Wochen zurechtzulegen. Wenn es mein Wohlbefinden zulässt, werde ich morgen die Fähre nach Stewart Island nehmen und dort auf der Lauer liegend nach Kiwis Ausschau halten und währenddessen einen Reiseplan erstellen!

Ein letztes Mal noch ein Blick auf die Zahlen:
Kilometer bis Bluff: 0
Te Araroa Gesamtlänge: 3005 Kilometer
Tage in Neuseeland: 133
Tage am Trail: 129
Reine Wandertage: 107
Sich daraus ergebender Tages-Kilometer-Schnitt: 28
Freiwillige Rasttage: 11 (2 auf der Nordinsel, 5 Tage Weihnachtsferien zwischen Nord-und Südinsel, 4 auf der Südinsel)
Unfreiwillige Rasttage: 11 (Krankenstand in Nelson)
Längste Etappe ohne Zivilisation: 8 Tage (von Queenstown bis Riverton)

Auf die Frage, welcher Abschnitt mir am besten gefallen hat, ist es schwierig, eine Antwort zu finden. Von den Tararuas war ich wegen des mystischen Zauberwaldes schwer beeindruckt, Nelson Lakes National Park zog mich mit seinen Seen und ausgesetzten Gipfeln in seinen Bann. Nord- und Südinsel sind für mich wie zwei vollkommen unterschiedliche Länder, wobei keines schöner ist, als das andere. Viele Neuseeländer prophezeiten mir, dass mir die Südinsel noch viel besser gefallen würde, als die Nordinsel – dem kann ich nicht zustimmen. Mich faszinierte der Norden mit seinen Gatschwäldern, Stränden, Hügellandschaften und kleinen Ortschaften mindestens genauso wie die gebirgige und von Flussquerungen geprägte Südinsel. Ich erlebte das Erwandern beider Inseln auch sehr unterschiedlich. Die Nordinsel im euphorischen Glückstaumel gemeinsam mit Nicole, auf den letzten 100 Kilometern mit Stefan, die Südinsel zuerst mit Stefan, bis mein Krankwerden und Stefans Abreise eine Unterbrechung in den gewohnten Rhythmus brachten, und mir den Wiedereinstieg etwas erschwerten. Nach kurzer Zeit pendelte sich aber auch hier die Routine wieder ein und ich genoss das alleine Wandern zunehmend. Es kam alles so, wie es kommen sollte, und ich würde nichts anders machen (Außer vielleicht den letzten Tag 😊)!

Tag 128: Riverton – Invercargill

Vorletzter Tag am Trail! Ich kann es kaum fassen, es kommt mir so surreal vor, dass ich mich nun nur mehr 34 Kilometer von meinem endgültigen Ziel entfernt befinde!

Diesen vorletzten Wandertag gingen Fréd und ich ruhig an. Die Schülerhorde war bereits munter, als wir gegen halb acht den Holiday Park verließen, um zuerst in Riverton noch zu frühstücken.

Dann machten wir uns an den letzten beach walk. Im Gegensatz zu gestern war dieser eindeutig von 90 Mile Beach Qualität 😊. Nasser, harter Sand, auf dem man wunderbar marschieren konnte. Außer Hagel hatte das Wetter auch dasselbe Spektrum, wie auf meinen ersten vier Tagen am Trail zu bieten – Sonne, Regen, Wolken, Wind. Es passte alles perfekt zusammen, als würde der Kreis sich schließen. In den ersten Tagen Ende Oktober war ich voller Vorfreude auf die kommenden Monate, konnte es nicht wirklich realisieren, im Land meiner Träume angekommen zu sein und den Te Araroa Trail zu starten. Heute blickte ich voller Freude und beinahe Ehrfurcht zurück auf das Erlebte, Bewältigte, Geschaffte und realisiere nicht, dass ich den Trail beende, dass ich tatsächlich 2971 Kilometer GEGANGEN bin und dass es morgen 3005 sein werden. Unglaublich, unbegreiflich, überwältigend und trotzdem wahr!

Ja, da rennt gerade ein Hund durchs Bild!

Nach 23 Kilometern wechselten wir vom Strand auf die Straße, die uns die letzten 10 Kilometer nach Invercargill führte. Da es erst früher Nachmittag war, kehrten wir in Otatara auf Kaffee und Kuchen ein, bevor wir schlussendlich in der Tuatara Lodge in Invercargill landeten – wo ich zu meiner großen Freude und Überraschung auf Kiwi Chris traf, den ich seit irgendwann kurz vor Auckland nicht mehr gesehen hatte. Er beendete gestern den Trail und macht sich morgen auf nach Stewart Island.

Morgen werde ich früh auf den Trail starten und diesen allerletzten Te Araroa Wandertag so richtig zelebrieren. Wie genau das aussieht, weiß ich noch nicht, es wird sich aber auf jeden Fall richtig ergeben, davon bin ich überzeugt. Vorhin nahm ich noch all meinem Mut zusammen und erklärte Fréd, dass ich gerne alleine am Stirling Point ankommen möchte. Die eineinhalb Tage mit ihr waren ok, es lag mir aber ehrlichgesagt schon etwas im Magen, dass ich meine alleine-wandern-und-ankommen-am-letzten-Tag-Pläne nun evt nicht würde umsetzen können. Fréd versteht mich und bat mich nur, dann am Stirling Point auf sie zu warten, weil sie nicht alleine ankommen möchte. Das mache ich natürlich gerne!

Kilometer bis Bluff: lächerliche 34

Tag 127: Kilometer 2904 – Riverton

Ich muss sagen, ich bin nicht traurig, nun den letzten Gatschwald des Trails hinter mir gelassen zu haben. Das schmatzende Geräusch der im Morast steckengebliebenen Wanderstöcke oder Schuhe werde ich genauso wenig vermissen, wie den eigentümlichen Geruch von eingetrocknetem Schlamm auf Socken 😊.

Als ich mich in der Früh für die letzten Kilometer im Wald rüstete und mein Zelt abbaute, wurde ich neugierig und gar nicht schüchtern von einem Morepork dabei begutachtet:

Gehört hatte ich die Schreie dieser Kauze bereits öfters, zu Gesicht bekam ich ein Exemplar erst jetzt. Vielleicht besteht ja Hoffnung, dass ich einen Kiwi auch noch sehe – gehört hab ich ihn ja schon ein Mal!

Der heutige Waldabschnitt war lange nicht so verschlammt, wie die Passagen gestern, mühsam war das Wandern aber dennoch. Ständig lagen irgendein Baumstamm oder Wurzelwerk im Weg herum, ich weiß nicht, wie viele Spinnweben ich mit meinem Gesicht abräumte oder wie oft mit Farngewächse oder Palmwedel in dasselbige klatschten. Zwischendurch durfte ich auf rutschigen Baumstämmen kleine Schluchten überqueren und mich an Wurzeln den Weg hinaufhangeln. Dass ich mich langsam aber sicher wieder der Zivilisation näherte, sah man an dieser „Auf- und Abstiegshilfe“:

Gegen Mittag erreichte ich Colac Bay und verspeiste in der dem Holiday Park angeschlossenen Taverne einen Hawaii-Burger mit Pommes Frites und hinterher noch ein Stück Cheesecake mit Eis und Mokka, mmmmmmmh! Ebenfalls in der Taverne befand sich Frédérique, eine Franko-Kanadierin, die ich zum ersten Mal in Arthur’s Pass und zuletzt auf der Lower Princhester Hut getroffen hatte. Ihre Motivation, den Trail zu beenden war nur noch ansatzweise vorhanden, beklagte sie doch immer wieder, dass die schönsten Abschnitte schon längst vorbei seien und sie nur der Form halber noch bis Bluff gehen würde. Ich weiß, dass sie vorher keine Gelegenheit des Autostoppens ausgelassen und auch sonst einige Passagen übersprungen hatte (wie zB den Longwood Forest, der zugegebenermaßen schon mühsam, aber wunderschön war) und wunderte mich deshalb, wieso sie nun auf einmal doch bis zum Schluss wandern wollte. Ich hatte zwar eigentlich keine große Lust auf Gesellschaft, schon gar nicht auf diese negative Ausstrahlung, aber dennoch machten wir uns gemeinsam auf nach Riverton, dachten, die 12 Kilometer am Strand hätten wir schnell erledigt und wurden eines Besseren belehrt! Der Strand entpuppte sich als einer von der kieseligen Sorte, was bedeutete, dass wir bei jedem Schritt einsanken. Teilweise verlief der Track oberhalb des Strandes auf Farmland, wir kletterten also ständig auf und ab, über Felsen und durchs Gebüsch. Der Ausblick war aber schön:

Wäre ich ein Schaf, würde ich gerne hier leben wollen, Schaf-Spa inklusive 😊.

Stewart Island im Hintergrund

Der Holiday Park in Riverton wird derzeit von 80 SchülerInnen belagert, wir kamen aber im Garten der Besitzer unter. Morgen steht dann ein letzter beach walk à la 90 Mile Beach auf dem Programm und übermorgen erreiche ich bereits Bluff! Ich bin schon ganz aufgeregt und voller Vorfreude! Die letzten Tage waren intensiv und ich habe ziemlich Gas gegeben, was mir total Spaß gemacht hat, jetzt bin ich aber bereit, den Trail zu beenden und mich auf Stewart Island auf Kiwiexpedition zu begeben!

Kilometer bis Bluff: 67

Tag 126: Longwood Forest Track – Kilometer 2904 im Wald

Der letzte Hunderter ist angebrochen! Juhuuuuh, ich freue mich, dass ich voraussichtlich Bluff in drei Tagen erreichen werde – mein 10-Tage-Plan von Queenstown scheint aufzugehen. Zuerst gilt es aber noch, die restlichen 18 Kilometer dieses letzten Forest Tracks hinter mich zu bringen….

Puh, teilweise fühlte ich mich heute schon in die erste Woche des Trails im Raetea Forest zurückversetzt. Wie immer bei diesen Gatschwäldern tarnen sie sich zu Beginn als nur etwas nasse und rutschige Wälder, aber nach und nach kann man keinen unkonzentrierten Schritt mehr machen, geschweige denn überhaupt „zusammenhängend gehen“. Aber ich hatte mich ja innerlich darauf eingestellt, also war es halb so schlimm und im Morast versunken bin ich auch nicht, irgendwie konnte ich akrobatisch jedes Schlammloch umrunden. Zeitaufwändig sind solche Unterfangen zwar schon, aber lieber tüftle ich mir eine gute Route aus und schwing mich vorsichtig von Stamm zu Ast, als dass ich plötzlich knietief im Gatsch feststecke. Das hätte heute nämlich durchaus passieren können.

Nach den ersten fünf Kilometern stand ich am 802 Meter hohen Bald Hill und hoffte auf erneute Blicke auf mein endgültiges Ziel, wurde aber leider enttäuscht. Schön war die etwas wolkenverhangene Stimmung trotzdem. Die Nacht war übrigens richtig kalt, mein Schlafsack hat sich aber bewährt und ich fror nicht. Dafür war ich am Bald Hill wieder knapp davor, die Handschuhe herauszukramen.

Oreti Beach konnte man gut erkennen – den werde ich übermorgen entlang spazieren.

Vom höchsten Punkt des heutigen Tages ging es dann zügige vier Kilometer eine Schotterstraße entlang, an deren Ende bei einem Steinbruch der Trail wieder in den Wald führte. Teilweise erinnerte mich die Vegetation an die Tararuas, so mystisch geheimnisvoll, total schön. Und ich mittendrin!

Immer wieder führte der Trail oberhalb der Baumgrenze entlang, was ganz angenehm war, weil der Track dort fast keinen Matsch aufwies. Dafür wurde es zunehmend nebeliger und ein starker Wind kam auf. Zum zweiten Mal spielte ich mit dem Gedanken, meine Handschuhe anzuziehen, ließ es dann aber doch bleiben, weil ich schlichtweg zu faul war, bei dem Wind Halt zu machen und sie ganz unten aus dem Kleidersack im Rucksack zu holen.

Meine sehr späte Mittagspause legte ich erst bei der Martins Hut ein, der letzten Hütte am TA!

Ich hatte meine Tagesetappen extra so geplant, dass ich nicht dort übernachten würde, denn ich wusste von Nicole, dass die Mäuse hier so penetrant und akrobatisch sind, dass sie es sogar schaffen, an von der Decke baumelnde Essenssäcke zu gelangen. Außerdem gesellt sich gelegentlich die eine oder andere Ratte dazu… Also marschierte ich noch gut sieben Kilometer weiter und schlug mitten im Wald mein Nachtlager auf.

Ich werde diese letzte Zeltnacht im Busch ganz besonders auskosten 😊 Hier im Wald hörte ich heute übrigens immer wieder Tuis singen. Deren Gesang ist mir schon abgegangen, denn seit Beginn meiner Reise auf der Südinsel habe ich sie nur am Queen Charlotte Track bis vor den Richmond Ranges gesehen und gehört.

Andere HikerInnen sind mir heute nur ein Mal untergekommen – zwei NOBOS kamen mir im Gatsch entgegen und sie schienen genauso überrascht wie ich. Ich bin gespannt, wie viele weitere nördlich Wandernde ich noch treffen werde. Langsam neigt sich die Saison dem Ende zu, vor allem zum Starten auf der Südinsel.

Kilometer bis Bluff: 101

Tag 125: Birchwood Station – Longwood Forest Track

Der heutige Tag empfing mich feucht, nebelverhangen und kalt. Bis sieben wollte es nicht richtig hell werden, also kam ich nur gemächlich in die Gänge.

Birchwood Station

Dafür schaltete sich dann wie von selbst der Duracell-Modus ein und zehn Stunden und 35 Kilometer später stand mein für die Nacht bezugsfertiges Zelt hier, am Eingang zum berühmt-berüchtigten Longwood Forest Track, auf dem ich morgen und übermorgen die letzte Schlammschlacht des Te Araroa Trails aufnehmen werde:

Bevor ich dann morgen hoffentlich in Raetea- und Pirongia-ähnliche Vegetation abtauche, durfte ich heute noch einmal einige Kilometer hügelauf und -ab Schaf-Farmland durchqueren und mich dabei einnebeln und benieseln lassen. Ich war kurz davor, mir meine Handschuhe anzuziehen, so kalt war es. Die Fleece- und Regenjacke sollte ich den ganzen Tag anbehalten, Gott sei Dank aber nicht wegen Dauerregens, sondern der wenig sommerlichen Temperaturen und des starken Windes, der am Nachmittag aufkam. Außer Farmland und kurzen Straßenabschnitten durchquerte ich heute auch einige Waldabschnitte, die alle sehr unterschiedlich waren:

Ich bin nun gespannt auf die nächtlichen Temperaturen hier, denn derzeit lieg ich mit Stirnband, Primaloft Jacke und Socken im echt warmen Schlafsack und bis auf die Nasenspitze und die tippenden Finger ist mir auch nicht zu kalt. Der Himmel ist klar, ich konnte noch bei Sonnenschein Abendessen und ich bin guter Dinge, dass ich morgen zumindest von oben her trocken bleiben werde! Ich freue mich auf den Wald, ich genieße jeden Wandermeter und nehme jeden Kilometer bewusst war, denn es könnte der letzte auf trockenem, weichen Waldboden, über unebenes Weideland oder auf Schotterstraßen sein…. Nach ein paar Stunden im Matsch werde ich morgen wahrscheinlich aber schon wieder ein Ende herbeisehnen!


Verbleibende Kilometer bis Bluff: 127

Tag 124: Lower Wairaki Hut – Birchwood Station

Ich glaube, ich habe heute zum ersten Mal wieder das Meer gesehen, und Bluff:

Von der Lower Wairaki Hut führten nämlich gleich die ersten fünf Kilometer auf einen ca 1000 Meter hohen Hügel, ja man könnte fast schon Berg sagen, von dem aus man eine wunderschöne Aussicht hatte – auf all das, was in den mir am Trail verbleibenden Tagen noch auf mich zukommt!

Die Nacht war wie gewöhnlich mit einigen Unterbrechungen verlaufen, zum ersten Mal seit längerem hörte ich allerdings keine Mäuseaktivität. Es regnete etwas, aber in der Früh war es wieder trocken, zwar noch ziemlich bedeckt, aber überraschend mild.

Nachdem ich mich da oben auf dem Aussichtspunkt wieder etwas gefangen hatte – ich hatte wirklich nicht mehr mit so einem Panorama gerechnet – ging es an den etwas felsigen Abstieg und an die 25 Kilometer lange Durchquerung der Mount Linton Station, einer großflächigen Farmanlage. Irgendwie erinnerte mich das landschaftlich ein bisschen an eine Alm – Neuseeland-Stil halt, nicht am Berg, sondern in hügeliger Landschaft (und jeder Hügel wurde natürlich nicht umrundet, sondern „überklettert“) und hauptsächlich von Schafen bevölkert.

Wobei, drei Mal musste ich an zahlenmäßig recht großen Stierherden vorbei, bzw durch sie durch, da sie mitten am Weg standen, und es gab keinen Zaun, hinter den ich mich notfalls hätte werfen können. War auch gar nicht nötig, diese Jungbullen hier nahmen Reißaus, als ich extra laut heranpolterte, aber nicht, ohne mich vorher neugierig zu beglotzen und mir dann in sicherem Abstand ein Weilchen zu folgen. Da diese Tiere offensichtlich nur interessiert an Vorbeispazierenden waren und keineswegs aggressiv oder auf Ärger aus, entspannte ich mich schnell wieder und fand es sogar ganz lustig, kurzfristig zwischen den schwarzen Ungetümen zu wandern (aber wirklich nur kurzfristig 😊).

Eine halbe Stunde lang wurde ich von einer nach Aufmerksamkeit heischenden Hündin mit Peilsender um den Hals (glaube ich zumindest) begleitet, bis ihr Besitzer im Jeep hinter uns herfahren musste, weil sie auf seine Rufe und sein Pfeifen nicht hörte. Mir gelang es natürlich auch nicht, sie zu ihrem Herrchen zurückzuordern. Ob dieser sie wohl absichtlich auf mich angesetzt hatte? Zum Überprüfen, ob wir WandererInnen auf den für uns vorgesehenen Tracks bleiben? Ich hatte nämlich im Vorfeld gelesen und gehört, dass die Besitzer der Mount Linton Station uns TA-lerInnen gegenüber etwas skeptisch sind.

Die vielen, wenn auch kurzen, An- und Abstiege wurden mit Fortschreiten des Tages immer mühsamer, vor allem, weil zum Schluss kein Pfad mehr vorhanden war und es wirklich mehr oder weniger querfeldein ging und ich ganz froh war, mein GPS am Handy zu haben, denn markiert war da irgendwie auch nix mehr. Immer wieder hüpfte vor mir ein erschrockenes Schaf, manche noch im Wollmantel, andere bereits freizügiger bekleidet, davon, und plötzlich stieb die ganze im teilweise hohen Gras für mich zuerst unsichtbare Herde davon. Schafe sind so schreckhaft und es tut mir jedes Mal leid, wenn sie wie vom Herzkasperl getroffen davonrennen.

Da es auf dem Farmgelände nicht erlaubt ist, zu campen, musste ich insgesamt 36 Kilometer hinter mich bringen, bevor ich in der „hikers‘ hut“ der Birchwood Station zur Abwechslung ein frisch zubereitetes Abendessen und eine Dusche genießen konnte. Die Besitzer der Station haben diese Hütte extra für TA BenutzerInnen eingerichtet und sie war bei meiner Ankunft bereits von drei Nobos bewohnt. Einer davon war ein 74-jähriger Kiwi, der den TA southbound vor vier Jahren wanderte und jetzt Teile davon northbound macht – Wahnsinn! Seine Beweggründe: vor vier Jahren nahm er 20kg beim Wandern ab, die er mittlerweile durch viel vor dem Fernseher sitzen wieder zugenommen hat und erneut loswerden will. Eine weitere Wandererin hatte ich bereits im Café in Arrowtown gesehen, sie war inzwischen zur SNOBO – south-north bounder – geworden, da sie wegen der Sperre des Greenstone Tracks von Queenstown nach Bluff reiste und nun die letzte Etappe nordwärts wandert. Mit Ende am Parkplatz in Greenstone. Einen unstimmigeren, hässlicheren Abschlusspunkt des Trails kann ich mir gar nicht vorstellen! Nie und nimmer wäre ich auf die Idee gekommen, mir selbst das „Ziel“ wegzunehmen. Da hätte ich vorher eine Woche bis zur Öffnung des Tracks gewartet oder wäre, so wie ich es getan habe, einfach trotzdem weitergewandert. Aber keine Ahnung, vielleicht ist ihre Zeit begrenzt und es gab für sie keine andere Möglichkeit, den ganzen Trail zu wandern. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich nicht zur SNOBO mutieren muss!

Kilometer bis Bluff: 162

Tag 123: Lower Princhester Hut – Lower Wairaki Hut

Ja, heute machte ich die 2800 Kilometer voll – mitten im Wald, der sich entgegen meiner Annahme nicht als furchtbarer Gatschwald entpuppte!

Wie weit ich heute tatsächlich kommen würde, wusste ich in der Früh noch nicht. Geplant war die Lower Wairaki Hut in 30 Kilometern Entfernung, da die Informationstafel neben der Lower Princhester Hut dafür 16 Stunden und zwei Tage veranschlagte, war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob ich da in meiner Planung nicht etwas zu größenwahnsinnig kalkuliert hatte. Aber egal, einfach losmarschieren zur 17 Kilometer entfernten Aparima Hut und je nach Uhrzeit und Energielevel vor Ort über weitere Vorgehensweise entscheiden. Die Beschreibung der Trail Notes für die nächsten 13 Kilometer klang nicht gerade prickelnd:

Note: The next section to Lower Wairaki Hut is predominantly within the forest. The ground trail is light, or non-existent, so care and concentration is required to travel from marker to marker. This makes the going quite slow.Cross the Aparima River on the swingbridge near the hut. The track forks here. To the left there is access out to Dunrobin Rd (2hr). Meanwhile Te Araroa follows poles westward (to the right) through marshland on the terrace above the Aparima River’s true right bank. The track reaches the forest edge after 2.5km. Once within the forest the marked track rolls over foot hills to asign-posted junction with the Wairaki River Track. Turn left here and it’s a about a 45min walk downstream to the Wairaki Riverford. Cross the river here, as river levels allow, and climb to the nearby Lower Wairaki Hut (4 bunks).

Bis zur Aparima Hut fand ein Wechselspiel zwischen

und

statt. So schön die Tussocklandschaft auch aussehen mag, so widerwärtig war sie heute zu durchwandern. Teilweise reichte mir das von der Sonne verdorrte Grünzeug bis zu den Schultern und ich konnte weder Track noch Markierungen erspähen, oder sehen, wo ich am besten meine Füße platzieren sollte. Zwei Mal fand ich mich ganz plötzlich am Boden sitzend wieder, weil ich mit einem Bein in ein Matschloch gestiegen war 🤣 Ansonsten schaffte ich es etliche Male, mir durch auf ein paar Grashalme steigend selber quasi ein Bein zu stellen, was mich aber wenigstens nur ins Stolpern, aber nicht zu Fall brachte! Ja, heute waren mir die Waldabschnitte definitiv lieber, weil sie viel hiker-freundlicher waren. Da ich bereits mittags bei der Aparima Hut eintrudelte, war natürlich sofort klar, dass ich noch nicht Feierabend machen würde. In den Trailnotes stand als Dauer für die Strecke übrigens 5-6 Stunden, was schon eher der Wahrheit entspricht. Dass ich heute so schnell vorangekommen war, lag auch nur am humanen Gatschausmaß. Im zweiten Abschnitt des Takitimu Tracks bis zur Lower Wairaki Hut sah das Ganze dann etwas anders aus, aber bei weitem nicht so schlimm, wie erwartet.

Vor allem die Beschreibung von oben passt nicht wirklich, finde ich. Meistens war sehr wohl ein Track, oder zumindest so etwas Ähnliches, vorhanden, und dass man sich an Markern orientiert und jeden Schritt konzentriert setzen muss, ist für neuseeländische Wälder eigentlich nichts Neues. Ich war heute also durch die Bank positiv überrascht und freue mich total, mein Tagesziel vor 18 Uhr erreicht zu haben! Rob ist auch hier, Lene wollte eigentlich auch noch kommen. Sie waren noch gestern Abend zur Princhester Hut zurückgestoppt. Die restliche Besatzung der Hütte von gestern dürfte in der Aparima Hut eingekehrt sein.

Verbliebene Kilometer bis Bluff: 198

Tag 122: Kilometer 2740 – Lower Princhester Hut

Als ich heute um sechs das erste Mal aus dem Zelt lugte, sah es so aus, als würde der Himmel jeden Moment seine Schleusen öffnen, was mich dazu veranlasste, mich einfach noch einmal umzudrehen und eine Dreiviertelstunde später bei leichtem Nieselregen meine Morgenroutine zu vollziehen. Am Horizont lockerten sich die Wolkenmassen allerdings bereits und es wurde etwas heller.

Bevor ich aber so richtig in den Wandertag starten konnte, musste ich noch eine Entscheidung treffen:

Für mein ungeübtes Flussauge sah der Mararoa River schon recht hoch und schnell fließend aus, aber wie sollte ich von hier aus abschätzen können, wie die Situation drei Kilometer südlich aussehen würde? Ein Umweg von sechs Kilometern, falls ich den Fluss nicht würde queren können, fand in meinem heutigen Zeitplan keinen Platz, deshalb nahm ich gleich die Alternativroute bzw überhaupt die parallel zum River Track verlaufende Schotterstraße. Keine blöde Entscheidung, denn zwei Stunden später sah ich etwas vor mir einen Wanderer vom Fluss her das Feld Richtung Straße queren – der Track war komplett weggeschwemmt! Eigenartig, dass dieser nicht überhaupt gesperrt war, der Greenstone Track in tadellosem Zustand aber schon!? Der Hiker war übrigens Rob, den ich zuletzt mit Lene im Kanu am Whanganui River gesehen hatte. Wenig später sprang diese dann plötzlich aus einem vorbeifahrenden Auto (also es blieb schon vorher am Straßenrand stehen!). Die zwei hatten sich ein paar Tage lang ständig verpasst und nicht damit gerechnet, sich hier wieder über den Weg zu laufen. So witzig! Wir wanderten eine Weile gemeinsam, nach unserer Mittagspause zogen die beiden vorerst alleine weiter, weil sie nach Te Anau zum Vorräte auffüllen autostoppen wollten, ich aber direkt zur Lower Princhester Hut weitermarschierte. Rob werde ich evt noch einmal über den Weg laufen, weil er nämlich kein Zelt mehr hat und deshalb von Hütte zu Hütte wandert oder, ein neuer Begriff für mich, cowboy camping betreibt. Von der letzten Hütte am Trail bis Bluff sind es 105 Kilometer, und dazwischen gibt es nur Holiday Parks und mehr oder weniger Zivilisation, was cowboy camping etwas schwierig gestaltet. Deshalb möchte er die gesamte Strecke in 24 Stunden erledigen…. Von der Tageszeit abhängend werde ich ihn sicher an mir vorbeiwandern sehen!

Morgen werde ich den vorletzten Wald des Trails in Angriff nehmen. Ich bin auf das Gatschausmaß und die aussichtslosen Gipfel gespannt – ich glaube, ich werde mich morgen hin und wieder in Raetea und Pirongia Forests zurückversetzt fühlen!

Die Zahl des Tages: 228 Kilometer bis Bluff

Tag 121: Taipo Hut – Kilometer 2740

Heute Nacht wachte ich auf, weil ich den Eindruck hatte, unter einem Wasserfall zu stehen. Nein, nicht, weil ich etwa platschnass gewesen wäre, sondern wegen des rauschenden Lärms. Draußen schüttete es wie aus Kübeln. Und das mehrere Stunden lang, bis sieben, als ich dann schlussendlich aufstand. War ich froh, die Nacht in einer Hütte verbracht zu haben!

Bis ich abmarschbereit war, zeigten sich am Himmel bereits erste blaue Flecken und die schwere Wolkendecke lockerte sich zunehmend. Gleich hinter der Hütte musste ich wieder einmal eine Hängebrücke überqueren, auf der ich von dieser Gestalt argwöhnisch begutachtet wurde:

Den heutigen Tag, der kilometertechnisch ein langer werden würde, hatte ich gedanklich in mehrere Etappen eingeteilt. Zuerst 12 Kilometer bis zur Boundary Hut, von dort 6 weitere zur Carey’s Hut, noch 11 dazu und ich würde das südliche Ende des North Mavora Lakes und einen Campingplatz erreicht haben, noch einmal 5 für das südliche Ende des South Mavora Lakes und als Draufgabe noch 7 weitere zu einer Hängebrücke, in deren Nähe ich nun im Zelt alle Viere von mir strecke. Das Wandern war total angenehm heute, größtenteils auf halbwegs guten Wegen, zuerst oberhalb des Mararoa Rivers, dann an besagten Seen entlang und zum Schluss wieder dem Fluss folgend.

Das Wetter hatte den ganzen Tag über gehalten, ich merke, dass ich logischerweise viel duracelliger bin, wenn mir die Sonne nicht ganz so erbarmungslos auf den Kopf scheint. Einmal schauen, wie sich die Nacht entwickelt, ich hoffe, sie bleibt trocken. Mein Zelt steht hier nämlich ungeschützt, mit Blick hierauf:

Auch heute traf ich auf keine weiteren TA-lerInnen. In meiner Mittagspause in der Carey’s Hut schwatzte ich kurz mit einem einheimischen Wanderer, aber das war’s auch schon mit der Kommunikation. Ich fühl mich aber eigentlich ganz wohl mit mir allein und solange ich keine Selbstgespräche zu führen beginne, ist alles in Ordnung! Das eine oder andere Mal heute wurde ich ganz schön emotional und musste ein bisschen vor mich hinweinen, weil das Ende des Trails so greifbar nahe ist und mich das einerseits riesig freut und andererseits auch etwas wehmütig stimmt. Das wird mir in den nächsten Tagen wohl noch häufiger so gehen.

Die Zahl des Tages: 265 Kilometer bis Bluff

Tage 119 & 120: Queenstown – Taipo Hut

Nachdem mich bei meinem gestrigen Besuch im DOC ein dort Angestellter darüber informiert hatte, dass der Greenstone Track voraussichtlich noch bis Dienstag gesperrt sei und außerdem starke Regenfälle vorausgesagt waren, hatte ich beschlossen, noch einen Tag in Queenstown zu bleiben. Der Regen blieb aus und der Track war offiziell immer noch gesperrt, als ich heute am Greenstone car park auf der anderen Seite des Wakatipu Sees ankam. Ich wollte einfach nicht noch einen Tag im teuren Queenstown totschlagen, ausgeschlafen und vollgefressen bin ich allemal! Also bin ich jetzt bereits in der Taipo Hütte und wundere mich über die extrem laute Mäusegeräuschkulisse hier. Klingt, als würden sie Karton zerreißen!

Zurück zum Beginn des heutigen Tages. Da kein öffentliches Verkehrsmittel die über 80 Kilometer von Queensland bis zum Trailhead am nordwestlichen Ufer des Sees fährt, blieb mir nichts anderes übrig, als am Straßenrand meinen Daumen zu präsentieren. Ganz wohl war mir dabei nicht, es dauerte aber keine zwanzig Minuten und ich saß bei einer Französin im Auto, die seit zehn Monaten mit einem Work and Travel Visa in Neuseeland unterwegs ist, und, bevor sie ihren nächsten Woofering Job in Christchurch startet noch ein bisschen die Gegend um Queenstown erkundschaften möchte. Bis Glenorchy, was ca. die Hälfte der Strecke war, nahm sie mich mit. Dort dauerte es nicht einmal zehn Minuten und ich hatte schon die nächste Mitfahrgelegenheit, passenderweise genau an mein Ziel! Ein Pärchen aus Colorado, das seit vier Wochen durch Neuseeland reist und auch hauptsächlich wandert, gabelte mich auf und wir tauschten während der Fahrt Trail Geschichten aus – sie hatten letzten Sommer den Appalachian Trail bewandert und hatten bereits viel vom TA gehört. Am Parkplatz angekommen, liefen wir natürlich in einige DOC MitarbeiterInnen, die uns darauf aufmerksam machten, dass der Trail noch gesperrt sei und wir hier nicht starten könnten. Zwei von ihnen verschwanden wenig später mit ihren Rucksäcken im Wald, vermutlich um den Track in Augenschein zu nehmen und zu entscheiden, ob er für die Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden soll oder nicht. Zumindest hatte der DOC-Mensch in Queenstown verlautbaren lassen, dass vor der Trailöffnung noch eine Inspektion stattfinden müsse. Meine Chauffeure beschlossen daraufhin, sich eine Alternative zu suchen, ich ließ etwas Zeit verstreichen und kletterte dann einfach über die Absperrung und machte mich auf den Weg… Ich wusste von Audrey, einer Hikerin, die ich auf der Nordinsel zuletzt gesehen hatte, dass sie den Teil des Trails bereits vor eineinhalb Wochen relativ problemlos gewandert war, also wenige Tage nach den starken Regenfällen und einhergehenden Überschwemmungen. Seitdem hatte es nicht mehr geregnet, die zu überquerenden Brücken standen laut Audrey alle noch an Ort und Stelle, das Schlimmste, mit dem ich zu rechnen hätte, waren also umgestürzte Bäume auf dem Track und Gatsch. Nichts, womit ich mich nicht schon oft genug in den vergangenen Monaten herumgeschlagen hätte! Warum der Track immer noch gesperrt ist, ist mir ein Rätsel, er war nämlich in pipifeinstem Zustand! Fast staubtrocken und die den Weg blockierenden Baumstämme lassen sich an einer Hand abzählen.

Nach zwölf Kilometern erreichte ich die Greenstone Hut, an der ich mich aber möglichst unauffällig vorbeischlich, erkannte ich doch die zwei vor mir gestarteten DOC MitarbeiterInnen im Inneren der Hütte. Ich wollte ihnen nicht unbedingt erklären müssen, was ich auf einem offiziell gesperrten Track zu suchen hatte und außerdem hatte ich als mein Ziel sowieso die noch zehn Kilometer weiter gelegene Taipo Hut auserkoren. Kurz nach der Hütte befand ich mich dann auch gar nicht mehr auf dem Greenstone Track, sondern dem Mavora Walkway, benannt nach den Mavora Lakes, an denen mich dieser Weg morgen vorbeiführen wird.

Die heutige Etappe war recht abwechslungsreich – es ging größtenteils durch den Wald, zwischendurch über kurze Ebenen im offenen Gelände und die letzten Kilometer durch Tussock Gras, gespickt von Schlammlöchern und sumpfigem Terrain, das man im ersten Moment nicht als solches identifizieren konnte – erst, als ich knöcheltief im Gatsch stand, wusste ich, was Sache war.

Außer bereits erwähnter Mäuse logiert heute Nacht sonst niemand hier. Laut Hüttenbuch war heute nur ein Hiker hier, gestern hatten Cami und Alex, ein franko-kanadisches Pärchen, das ich zuletzt kurz in Arrowtown und vorher in Arthur’s Pass gesehen hatte, hier übernachtet. Nobos gar keine in den letzten Tagen, was vermutlich mit der offiziellen Schließung des Tracks zusammenhängt.


Zahl des Tages:
Kilometer bis Bluff: 306 – morgen passiere ich die 2700er Marke!